Als ich vor sechs Jahren an einem Sonntagnachmittag im August vom Schyrenbad her zum ersten Mal in die Untere Weidenstraße radelte, hebte mein Herz sich. Oben vom Giesinger Berg schaute die Heilig-Kreuz-Kirche herab, drunter lugte eine grüne Zinskaserne inklusive Bahnverkehr durch den Straßenspalt, neben mir stand “Butter Milch Käse” an einem alten Laden. Und ruhig war’s. Oben im Haus wurde es noch ruhiger, auch der Besitzer schwieg, als wird durchs große Fenster auf ein Panorama in Rot (die Kirche), Grün (rauschende Pappeln) und Blau (der Himmel) schauten. Wir standen in der Küche, die dann mein Wohnzimmer wurde, denn ich wollte die Wohnung und bekam sie.
Inzwischen gehört noch das HUKODI im Erdgeschoss dazu, wo vorher die Bayernpartei 29 Jahre ihre Zentrale hatte und davor wohnte ein Künstler dort, der dann später im “Butter Milch Käse”-Laden hauste. Was davor war, wollte ich eigentlich für unser Straßenfest noch rausfinden, aber dann ging’s auch so – unser Untere Weidenstraßenfest am letzten Samstag. Das großartig war, weil… so genau wissen wir das auch nicht. Wir haben’s halt gemacht und es war gar nicht so schwer und am Tag selbst ganz normal für uns, dass die Straße zum Platz wurde und voller Musik und Leute war. Rezept gibt es keins, aber eine Zutatenliste. Also, man nehme:
Eine Straße. Aber nicht zuviel – wir haben nur das Stück zwischen “Butter Milch Käse” und HUKODI genommen, fünf Häuser, keine Kreuzungen, das macht das Sperren günstig und das Feiern gemütlich. (Alle Bilder werden beim Draufklicken größer.)
Gute Nachbarn. Hier zum Beispiel die aus meinem Haus bei der Generalprobe eine Woche zuvor – typische Giesinger-Neu-Yuppies, die hier wie immer am Freitag bei Champagner und Kaviar die Deals der letzten Woche feiern. Daher hat man uns auch den Aufkleber verliehen. Nicht im Bild, weil erst später dabei: Die seit 50 Jahren hier wohnenden Altyuppies von drei Häusern weiter und Conny von gegenüber, zu der später mehr.
Machende Macher, von links nach rechts: Florian Fischer und Carola Klöckner von Helmut Morrison, mich vom HUKODI, Steffen Marx vom Giesinger Bräu (hinter dem er sich versteckt) und Sonja Herpichaus “Butter Milch und Käse”. Die habe ich Anfang des Jahres an der Ecke zu Helmut Morrison getroffen und gefragt, wie es mal mit einem Straßenfest wäre, worüber sie schon früher mit dem Giesinger Bräu gesprochen hatte, in deren früherem Laden die Morrisons nun sind. Fünf Minuten später stand das Team.
Gute Organisation Was für uns alle hieß, am besten keine. Weil wir wollten erstens ein schönes Fest unter Nachbarn und Freunden und zweitens so wenig Arbeit wie möglich damit haben. Was auch prima klappte, weil… na ja weil’s halt passte. Der Herrgott hatte die Talente unter uns so gut gewichtet, dass wir sowohl vor Schönheit und Kreativität strotzen als auch am Finanz- und Behördenkram nicht scheiterten. Der übrigens recht unkompliziert bis angenehm, vor allem was den Austausch mit der Stadt betrifft.
Gute Helfer: Wie es sich für ein Straßenfest gehört, wurden die Nachbarn um Hilfe gebeten, und weil die gemerkt haben, dass wir sie auch brauchen können, kamen sie zahlreich. Einfach so an die Tür nach dem ersten Aufruf, zum Helfertreff in Fußballmannschaftsstärke (Mitte), am Tag zuvor zum Schnibbeln (links Nachbarn an Chicken Wings, rechts Stammkunden an Bananenblättern). Bei den anderen war es genau so.
Real Streetfood: Als ich mich in Jakartas Straßenküchen verlor, war mir schnell klar, das mach ich auch bei unserem Straßenfest. Eigentlich wollte ich den Radanhänger vom Nachbarn zum Foodtrolley umbauen, aber der wurde geklaut. Dann halt ein Warung. Und als ich beim Indonesientag Nina Binderer vom Purah Inda kennenlernte, stand das Menü: Krupuk (buntes Krabbenbrot, das ich aus Jakarta mitgebracht hatte) und Nasi kuning nach Ninas Rezept – Kokos-Kurkuma-Reis mit Tomaten-Sambal, Erdnusssauce und Chicken Wings oder Tempeh in Kejap-Manis-Marinade. Die Wachterwürste in der Mitte, gab’s in unserem Fahrradhof, Steckerlfisch bei den Brauern (siehe weiter oben).
Ordentlich zu trinken: Es war der bisher heißeste Tag im Jahr, was die Leute aber nicht geschert hat, schon zu Mittag die Bierbänke zu füllen. Kenner wissen, dass in unserer Straße stets der “Göhn” brist, ein Fallwind, der auf seinem Weg vom Giesinger Berg zur Isar für Erfrischung sorgt, um den Rest kümmerte sich die örtliche Brauerei und unser Eiskaffee am Stiel – kalter Kaffee aus der Nachbarschaft mit Wunderwürzsirup und Minimilk.
Gute Musik: Und darauf waren wir besonders stolz – der Plan, möglichst Leute aus dem Viertel auftreten zu lassen, hatte nicht nur funktioniert, er führte auch noch zu großer Freude. Auch bei den Musikern, die alle nur für den Hut spielten (immer der Reihe nach von links nach rechts): Gypsy Jazz vom Haus gegenüber und Harald Braun am Saxophon, Gurdun Thomas (schreibt man so? Wohnen jedenfalls ums Eck) und die Zwirbeldrinkoaflgschroa-Kombo (auch hier verankert), Conny (von gegenüber) & Egon, die bis vor kurzem die Frauenhofer Schoppenstube freitagnachts aufgemischt haben und am Ende noch zum Trio wurden. Aber erst mal zurück zum Anfang…
Gute Gäste: Links die ersten, in der Mitte die Wilden (nein, es hat nicht geregnet) und rechts die letzten bevor…
…es Abend wurde und die Untere Weidenstraße Catwalk, Piazza und Gartenfest in einem war. Heiliger Icho! (Das Bild wird beim Klick extra groß.)
Ein gutes Ende: Tja, auch vom Schluss gibt’s sensationsjournalistisch wenig zu berichten: Im Hofwohnzimmer wurde man ein wenig wehmütig, die Straße leerte sich langsam, aber sicher, und die ganz rechts hockten noch bis zum Morgengrauen vor ihrer eigenen Tür – aber das ist in Untergiesing auch keine Sensation. Polizei kam daher keine.
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